Frauen und Fußball, Frauen und Kino, Frauen und Politik: So manchem Mann wird das viel zu viel. Warum der Hass auf weiblichen Erfolg Konjunktur hat
Das Geisterwesen, das New York bedroht, wird am Ende natürlich wie besiegt? Genau, mit einem Schuss in die Eier. Die Pointe ist grober Klamauk, klar, aber für eine Hollywood-Komödie, in der alle Geisterjäger Frauen sind, durchaus folgerichtig. Und doch scheint der Gag viele Männer völlig zu überfordern: „Was für ein Zufall“, schreibt Nutzer mostawesomedudeever höhnisch, ein Blockbuster, in dem Männer zwei Stunden lang nur Deppen, Feiglinge oder Bösewichte spielen, müsse natürlich mit einer symbolischen Kastration enden. „Feminazi-Propaganda“, keucht ein anderer User. Bestimmt alles nur Werbung für Hillary, diese frigide Hexe.
Willkommen im Kommentarbereich des „Ghostbusters“-Trailers, wo es Wochen nach dem Filmstart weiter Hass, frauenfeindliche Sprüche und Verschwörungstheorien regnet. Der Grund für die Wut: In der Neuauflage des 80er-Jahre-Klassikers wurden tragende Männerrollen mit Frauen besetzt. Eine Lappalie? Von wegen.
Im Juli arbeitete sich der Netzmob zunächst tagelang an Hauptdarstellerin Leslie Jones ab, weil sie nicht nur eine Frau, sondern praktischerweise auch noch schwarz ist. Später ging es dann um die angeblichen politischen Hintergründe des Films. Für die männlichen Trolle war klar, dass sie es hier mit einer feministischen Großverschwörung zugunsten von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zu tun hatten. Und sie scheinen sich gerade erst warmgepöbelt zu haben, denn in dieser Woche kam man wieder auf Jones zurück: Hacker stellten private Fotos und Daten der „Ghostbusters“-Darstellerin ins Netz, darunter ihre Handynummer.
Wie bei jedem Shitstorm kann man einwenden, man sollte das alles nicht zu hoch hängen, den Pöblern nicht noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Die Anonymität im Netz verführt eben zur Enthemmung, und mehr als ein paar Tausend Idioten sind es ja nie, die sich bei solchen Digitalsteinigungen gegenseitig hochschaukeln. Doch so einfach ist es nicht. Denn der Netzfuror spiegelt nur, dass sich auch ein Teil der echten Welt immer unverhohlener im Frauenhass wälzt – nicht nur in den USA.
Klar, dort sind die Ausfälle derzeit auch deshalb am auffälligsten, weil der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump einen Wahlkampf führt, in dem sexistische Attacken nicht mal mehr notdürftig bemäntelt werden. Trump spricht, wenn es um Frauen geht – egal ob um Hillary Clinton, TV-Journalistinnen oder seine eigene Gattin – fast nur über Aussehen, Stimme, Menstruation oder den angeblichen Frauenbonus, ohne den Clinton „nicht mal fünf Prozent der Stimmen“ bekäme. Seine kruden Thesen findet man im Übrigen fast wörtlich im oben erwähnten Kommentarbereich, die Fans sind da sehr lernfreudig.
Doch auch hierzulande tun sich beachtliche Abgründe auf: Im Juni erst zeigten Hunderte deutsche Männer der ZDF-Sportreporterin Claudia Neumann, wo ihr Platz ist, nämlich zum Beispiel „beim Dressurreiten der Damen“ oder „am Herd“, jedenfalls nicht dort, wo Neumann als Frau zum ersten Mal in der deutschen Fernsehgeschichte saß: in der Kommentatorenbox während der Übertragung eines EM-Spiels der Männer. Mit dem Ignorieren einzelner Idioten ist es nicht mehr getan. Die Anwürfe sind zum Phänomen geworden, das sich immer ungenierter zeigt, und zwar überall dort, wo erfolgreiche Frauen in die Öffentlichkeit treten.
Der britische Guardian hat im Frühjahr eine Top Ten derjenigen seiner Autoren erstellt, die die meisten Hasskommentare erhalten. Acht von ihnen sind Frauen (die beiden Männer sind schwarz). Die Autorin auf Platz eins, Jessica Valenti, schreibt vorwiegend feministische Kolumnen. Als Reaktion auf die Veröffentlichung der Liste bekam sie was? Zuspruch von entsetzten Lesern auf der ganzen Welt, natürlich. Aber auch: Vergewaltigungsdrohungen gegen ihre fünfjährige Tochter.
So uneinheitlich und schwer fassbar das Internet auch ist, auf eines können sich seine Nutzer offenbar doch immer leicht einigen: auf die Wahl ihres bevorzugten Mobbingopfers – die erfolgreiche Frau. Besonders dann, wenn sie auf einem Gebiet Erfolg hat, auf dem die Männer zuvor unter sich waren.
Diese Attacken auf sogenannte Alpha-Frauen haben kaum noch etwas mit dem alten Na-junges-Fräulein-Chauvinismus zu tun. Auch wenn dieser kürzlich ein Revival feierte, als ARD-Sportreporter Carsten Sostmeier, 57, einen Olympia-Wettkampf der VielseitigkeitsreiterinJulia Krajewski unter anderem so kommentierte: „Zweite Verweigerung, am Wasser sagt das Pferd: Mädel, was willst du eigentlich?“ Diese Art von traditionellem Chefetagen-Sexismus kam jahrzehntelang gönnerhaft von oben, aus einer Position der Stärke. Der neue Hass auf Alpha-Frauen entspringt dagegen der Schwäche. Er ist Ausdruck einer neuen männlichen Angst.
Mit wie viel Aggression diese Angst kompensiert wird, erlebte auch die Bloggerin Anita Sarkeesian, die in einem „Gamergate“ genannten Vorfall vor zwei Jahren Bombendrohungen erhielt. Sarkeesian hatte es gewagt, die Frauenfeindlichkeit in der Computerspielbranche zu kritisieren. Es dürfte auch kein Zufall gewesen sein, dass Tausende private Nacktfotos, die Hacker im selben Jahr von Servern klauten und im Netz verbreiteten, fast ausschließlich von weiblichen A-Prominenten stammten. Die Botschaft beider Aktionen: Wer als Frau von exponierter Stelle aus Gleichberechtigung fordert, muss mit allem rechnen und hat sein Recht auf Privatsphäre verwirkt. Wobei auch Nicht-Prominenz kein Garant dafür ist, nicht fertiggemacht zu werden. Umfragen zufolge hat jede vierte Frau im Netz schon sexuelle Belästigung erlebt, ebenso viele waren Opfer von Stalking.
Doch was sind das für Typen, die Frauen auf diese Art mobben, beleidigen, belästigen? Welche Art Mann spricht ernsthaft von „Kastration“, nur weil ein Film mit Frauen besetzt ist? Wer greift zum Smartphone und schreibt auf die Facebookseite des ZDF Sätze wie: „Die schlampe braucht einfach nur ein pimmel“?
Man hat zuletzt oft gehört, dass die rechtspopulistischen Bewegungen dieser Welt, von AfD über FPÖ und Front National bis zu den Trump-Republikanern, auch deshalb so guten Zulauf hätten, weil sich die Liberalen nicht mehr für den „kleinen Mann“ interessierten. Derjenige Teil der Bevölkerung, der weder schwarz noch homosexuell noch weiblich oder sonderlich weltgewandt ist, fände sich im supertoleranten Diskurs unserer Zeit kaum noch wieder. Ein Phänomen, das auch Soziologen beobachten: Weniger gebildete Männer begreifen Gleichstellung oder politische Korrektheit, neben anderen Konsensthemen der letzten Jahre, oft nicht als Fortschritt. Weil sie nicht davon profitieren.
Umgekehrt bedeutet die Modernisierung der Welt für akademisch Gebildete immer mehr Freiheit und Chancen. Sie studieren im Ausland, reisen viel und machen im freien Kapitalverkehr gute Geschäfte. Die Globalisierung hat vielen Teilen der Gesellschaft viel gebracht, aber einer Gruppe besonders wenig: gering qualifizierten Männern aus den Industrieländern. Ihre Jobs sind in Billiglohnländer abgewandert (aus Deutschland zum Beispiel gingen zwischen 1990 und 2004 mindestens 130 000 Arbeitsplätze nach Osteuropa); sinkende Löhne, Zeitarbeit und Altersarmut treffen nun auch sie.
Zugleich hat das traditionelle männliche Selbstbild seit den 60er-Jahren Risse bekommen. Körperliche Arbeit hat stark an Wert verloren, die Vormachtstellung des Mannes in der Familie ist überholt. Deshalb bezieht der Rechtspopulismus seine Kernwählerschaft aus der männlichen Arbeiterschicht auf dem Land – bei den Wahlen in Österreich erreichte die FPÖ in dieser Gruppe 72 Prozent. In Deutschland diagnostiziert der Soziologe Heinz Bude gar eine „stille Revolution“ als Folge der Modernisierung. Die Männer, die den Feminismus oder etablierte Parteien ablehnten, seien verbittert. „Wenn sie sich als entwertet empfinden und gleichzeitig von aller Welt signalisiert bekommen, dass es Deutschland nicht besser gehen könnte, dann bekommt diese Kränkung eine besondere Dimension“, sagt Bude. Die Kränkung betreffe nicht nur Arbeiter, sondern auch Akademiker, etwa den Ingenieur um die 50, der beruflich nicht mehr weiterkommt, weil die Jüngeren im Unternehmen besser Englisch sprechen. Oder weil gerade nur Frauen gefördert werden.
Ist das nicht zufällig genau der Subtext, den die Kommentare im Netz transportieren, die es „unerträglich“ finden, dass eine „Kampflesbe“ nun auch noch im ZDF Fußball kommentiert? Oder dass in Großbritannien Theresa May, eine „verdörrte Hexe mit hässlichem Gesicht“, neue Premierministerin wird? Wenn es da keinen Zusammenhang geben sollte, dann staunt man jedenfalls über das Niveau, auf dem sich erschreckend viele Reflexe bewegen.
In seinem preisgekrönten Buch „Der weiße Mann“ beschreibt der deutsch-italienische Philosoph Luca Di Blasi die Sicht von Männern, die sich als Opfer des Feminismus sehen. Was in Wahrheit der Abbau von männlichen Privilegien ist, also längst überfällig, fühlt sich demnach für viele an wie Diskriminierung. Und schon ist jede Frau, die öffentlich eine frühere Männerdomäne betritt, eine weitere Demütigung.
Mitgefühl muss man mit diesen Männern deshalb nicht haben. Man sollte sich aber bewusst machen, dass man auf den Dialog mit ihnen leider nicht verzichten kann. Denn die neuen autoritären Strömungen fachen die Ängste vor dem Verlust männlicher Privilegien ganz bewusst an. Die AfD etwa setzt familienpolitisch auf eine Rückkehr in eine präfeministische Zeit. Frauenquoten und Gleichstellungsbeauftragte will sie abschaffen, Gender Mainstreaming, also die strategische Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen, beenden. Stattdessen plädiert die Partei für ein Abtreibungsverbot und will die „natürliche Geschlechterordnung“ wiederherstellen, was auch immer das sein soll. Deutschland müsse „seine Männlichkeit wiedergewinnen“, forderte Björn Höcke, Fraktionschef der Thüringer AfD, im vorigen Herbst. Nur so werde das Land wieder „wehrhaft“.
Klingt beängstigend. Entbehrt aber leider nicht einer inneren Logik. Der Schulterschluss von Antifeminismus und Fremdenfeindlichkeit ist für Soziologen nämlich ein sehr logischer Schritt: Wer seine gesicherte Position gefährdet sieht, sucht nach Sündenböcken. Ob da Asylsuchende pauschal zu potenziellen Vergewaltigern („Rapefugees“) gemacht werden oder Gleichstellungsbeauftragte zu „Feminazis“, ist dann nur noch eine Frage der persönlichen Präferenz und privaten Vorbelastung.
Eines darf man übrigens bezweifeln: dass der Firnis der Gleichberechtigung bei den superaufgeklärten Männern (wie den oft als Beispiel genannten großstädtischen Akademikern) gar so dick ist, wie sie das gerne demonstrativ kopfschüttelnd suggerieren, wenn wieder ein neuer Sturm des Frauenhasses irgendwo im Netz aufzieht. Die Internet-Pöbler zu schmähen kostet ja nichts. Doch wo man das eigene Rollenbild gefährdet sieht, bröckelt auch bei manch politisch Korrektem die liberale Weltsicht. So befürworten nur magere 37 Prozent der Männer, dass die Frau in einer Familie die Hauptverdienerin ist. Auch bei den Frauen würde man da übrigens mehr erwarten, hier sind es nur 43 Prozent. Und in Firmen, die neuerdings in Personalfragen aktive Gleichstellungspolitik betreiben und vorrangig Frauen auf freigewordene leitende Positionen setzen, hört man nicht selten männliches Murren auf den Gängen.
Gleichstellung schön und gut, das ist so der Tenor, doch sind sie direkt betroffen, tun sich Männer weiterhin schwer damit, einer Frau zu unterliegen. Die angeblich so selbstverständliche Gleichberechtigung, sie wirkt erschreckend fragil.